Die „Time under Tension“ ist ein Begriff der häufig im Bezug auf effektives Training und vor allem im Zusammenhang mit Muskelaufbau genannt wird. Was sich hinter dem Begriff verbirgt und ob er wirklich eine so große Rolle spielt erfährst du hier.
Die Time under Tension (TUT) beschreibt in der Regel die Zeit, in der sich dein Muskel unter Kontraktion (Anspannung) befindet, während du einen Trainingssatz durchführst. Wenn du also für eine Wiederholung 3 Sekunden benötigst und dabei 6 Wiederholungen durchführen möchtest, wird dein Satz demnach 18 Sekunden dauern. Das bedeutet deine Time under Tension liegt bei 18 Sekunden. Wenn du nun aber lediglich 3 Wiederholung mit jeweils 6 Sekunden durchführst wirst du schnell merken, dass du ebenfalls 18 Sekunden benötigst. Die Time under Tension ist also bei beiden Varianten die gleiche.
Warum aber ist das wichtig? Die Time under Tension ist eine maßgebende Größe dafür, welchen Reiz du auf deine Muskeln ausübst und welchen Trainingseffekt du damit erzielst. Es gelten bezüglich der TUT deshalb folgende Richtwerte. Die optimale Spannungsdauer (TUT) für eine Steigerung der Maximalkraft liegt bei 4 – 20 Sekunden. Die optimale Spannungsdauer für Muskelwachstum liegt hingegen bei 40 – 60 Sekunden. Alles was darüber hinaus geht, richtet sich dann an den Bereich Kraftausdauer. Du fragst dich jetzt sicherlich: Aber was ist mit den Wiederholungen? Spielen die überhaupt keine Rolle? Die Antwort ist ein klares Jein. Wie du vielleicht schon gemerkt hast, entsprechen 1-6 Wiederholungen wie du es aus dem Maximalkrafttraining kennst, ungefähr den beschriebenen 4-20 Sekunden der TUT. Genauso brauchst du für 6-15 sehr kontrollierte Wiederholungen einer Übung wahrscheinlich auch die 40-60 geforderten Sekunden beim Training für den Muskelaufbau. Du erreichst deine Time under Tension also meist indirekt über die entsprechende Wiederholungszahl. TUT und der Wiederholungsbereich hängen also eng zusammen. Wenn wir aber mal ganz ehrlich sind, dann kommt es häufig vor, dass wir auch wenn wir 12 Wiederholungen bei einer Übung durchführen, nicht die geforderten 40 Sekunden oder mehr erreichen. Das kann vor allem dann zum Problem werden, wenn du in deinem Training konstant unter die geforderte Time under Tension kommst. Sicherlich kannst du einiges an Muskeln aufbauen, selbst wenn du noch nie 40 Sekunden für einen Satz gebraucht hast, dennoch solltest du dir in einmal die Frage stellen wie lange du tatsächlich für einen Arbeitssatz brauchst. Möglicherweise lässt du in deinem Training noch einiges auf der Strecke und du kannst mit einer anderen TUT neue Reize setzen.
Da es unpraktisch ist während jedem Satz die Stoppuhr mitlaufen zu lassen, gibt es einige Tricks bzw. Methoden mit denen du es dir erleichtern kannst die richtige TUT einzuhalten.
Als Kadenz bezeichnet man beim Krafttraining das Tempo mit der du die einzelnen Teilbewegungen einer Übung ausführst. Als Beispiel kannst du dich an folgender Zahlenfolge orientieren: 2-1-2
Beispiel: Kadenz 2-1-2 beim Bankdrücken:
Wenn du dich an die Vorgaben hälst, benötigst du so für eine Wiederholung rund 5 Sekunden und wirst bei einem Satz mit 10 Wiederholungen auf 50 Sekunden Time under Tension kommen und bist damit im optimalen Bereich für Muskelwachstum.
Das soll aber nicht bedeuten, dass du dich immer an genau diese Abfolge halten musst. An dieser Stelle ergibt sich nämlich eine Vielzahl von Variationen die du in dein Training einbauen kannst. So kannst du beispielsweise 4-2-4, 6-2-6 oder 3-1-3 als Schema benutzen, je nachdem auf welchen Teil der Bewegung du dich fokussieren möchtest. Wichtig ist nur, dass du dabei den Bereich zwischen 40-60 Sekunden anpeilst.
Eine weitere Möglichkeit um die Time under Tension zu verlängern sind halbe Wiederholungen, die du vor allem am Ende eines Satzes einbauen kannst um die TUT „künstlich“ zu verlängern. Wir bleiben beim Beispiel Bankdrücken. Wenn du hier deine angepeilte Wiederholungszahl beendet hast, führst du anschließend noch weitere Wiederholungen aus, bei denen du die Stange nur bis zu Hälfte der Brust absenkst.
Bedenke aber bitte immer, dass es im Training letztlich darum geht den Muskel progressiv zu überlasten, das bedeutet bei jedem Training einen Trainingsreiz zu setzten der deine Muskeln zu einer Anpassung animiert. Diese Überlastung kannst du in der Regel gut mit der richtigen Kombination aus Gewicht, Wiederholungen und Sätzen erzielen ohne dabei ständig die Time under Tension zu beobachten zu müssen. Es kann aber ein guter Ansatz sein hin und wieder darauf zu achten wie lang du im Training deine Muskeln unter Spannung hälst um ein Gefühl dafür zu entwickeln in welchem Bereich der Time under Tension du liegst. Du kannst die Time under Tension also als eine Art Intensitätstechnik nutzen indem du beispielsweise eine der beschriebenen Techniken verwendest. Die Time under Tension ist also nicht die ultimative Lösung zu der sie von vielen immer wieder gemacht wird, aber sie kann dein Training durchaus verbessern und neue Reize setzen. Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, bringt es nicht viel deinen Muskel für 60 Sekunden unter leichter Spannung zu halten. Die Spannung bzw. das Gewicht aber auch die Bewegungsausführung müssen ebenfalls immer stimmen.
Das Konzept der Time under Tension klingt sehr plausibel und legt die Überlegung nahe, von nun an nur noch die Zeit der Spannung zu stoppen und die Bewegungen möglichst langsam durchzuführen. Dieser Ansatz wird im sogenannten Superslow Training verfolgt.
Auch wenn die TUT in vielen Studien untersucht wurde, aus denen auch die angesprochenen Richtwerte hervorgingen, so gibt es dennoch auch Studienergebnisse die nicht dafür sprechen sich ausschließlich an der Time under Tension zu orientieren.
Folgende Studien geben die Berechtigung dazu, dass zumindest die Effektivität des Superslow Trainings infrage zu stellen ist. So kamen Forscher der University of Oklahoma während einer vierwöchigen Studie zu dem Ergebnis, das eine Superslow Training bei den Probanden schlechtere Trainingsergebnisse erzielten als mit einem „gewöhnlichen“ Trainingsansatz. Auch in Hinblick auf die Kraftsteigerung kam die Universität Sidney zu dem Ergebnis, dass die Probanden beim Bankdrücken die „normal schnell“ trainierten schneller ihre Leistung steigern konnten, als solche die besonders langsame Wiederholungen durchführten.
Es kann also nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass ein Training mit besonders hoher Time under Tension zu besseren Ergebnissen führt als gewöhnliches Training. Wie so oft gibt es hier also recht widersprüchliche Ergebnisse und du solltest dir immer wieder selber ein Bild vom aktuellen Kenntnisstand machen.
Die Time under Tension und ihre Rolle beim Trainingserfolg kann durchaus verwirren und ist nicht ganz unkompliziert. Es lässt sich festhalten, dass es einen optimalen Bereich der Spannungsdauer gibt, in welchem im Bezug auf das Trainingsziel trainiert werden sollte. Da der Vergleich zwischen Superslow Training und gewöhnlichem Training jedoch gezeigt hat, dass ein Fokus allein auf die TUT nicht zu besseren Trainingsergebnissen führt, sollte man sehr vorsichtig damit sein die TUT als das Maß aller Dinge zu betrachten. Ein vernünftiger Ansatz wäre es aber, wenn du das Konzept der Time under Tension dazu nutzt um dein Training zu variieren. Gutes Training setzt sich immer aus einer Variation von Gewicht, Wiederholungszahl und der richtigen Bewegungsausführung zusammen. Wenn du also bisher die Dauer deiner Bewegungsausführung völlig ignoriert hast, ist es hilfreich sie als weitere Stellschraube in dein Training zu integrieren. Teste also ob deine TUT möglicherweise sehr kurz ist und ob du durch ein Verlängern der TUT nicht vielleicht neue Trainingsreize setzen kannst.
Auch wenn die TUT eine wichtige Rolle beim Training spielt, musst du nicht ständig penibel darauf achten sie auf die Sekunde einzuhalten. Du solltest dir aber bewusst machen, dass man häufig dazu neigt Bewegungen im Satz zu schnell auszuführen und dadurch die TUT deutlich zu verkürzen. Die TUT ist also nicht die einzige wichtige Größe auf die es bei deinem Training ankommt, aber sie ist eine davon. Du solltest sie also dazu nutzen dein Training weiter zu verfeinern und zu verbessern.
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Marc absolvierte den sportwissenschaftlichen Masterabschluss an der DSHS Köln und am KIT. Seine Personaltrainer-Ausbildung und die mehr als 14 Jahre Trainingserfahrung tragen zu seiner Expertise bei.